Vor einigen Wochen habe ich das Buch Proud to be Sensibelchen* von Maria Anna Schwarzberg gelesen. Ich suchte auch schon seit einem Jahr ihren Podcast und bin super begeistert von ihren Inhalten. Zuerst ging es hauptsächlich um Hochsensibilität. Inzwischen hat sie ihren Fokus aber eher zur generellen Sensibilität gewechselt.
Sowohl das Buch, als auch der Podcast haben mich zu dieser Podcast-Episode inspiriert, denn egal, ob hochsensibel oder nicht, wir sollten sensibler miteinander umgehen und uns gegenseitig weniger verurteilen für das, was wir sind und tun – vor allem wir Mütter.
Und deswegen möchte ich mit dem heutigen Beitrag einen Appell loswerden. Einen Appell für einen sensibleren Umgang miteinander.
JEDER HAT SEINE GRÜNDE
Jeder hat seine Gründe, warum er oder sie in einer bestimmten Weise handelt und diese Gründe kennen nicht immer alle. Wir wissen nie hundertprozentig, was hinter einer bestimmten Handlung steckt.
Und selbst wenn wir scheinbar alle Gründe kennen sollten, dann fühlen wir alle auch unterschiedlich. Wir haben unterschiedliche Meinungen und das ist doch auch gut so. Ich sage nicht, dass wir verstehen müssen, warum andere etwas tun, aber ich sage, dass wir es respektieren müssen, so lange niemand anderes dabei zu Schaden kommt.
SENSIBILITÄT FÄNGT BEI BEI UNS SELBST AN
Anstatt uns immer nur zu beschweren, wie schlimm die Gesellschaft ist, die uns in bestimmte Rollenbilder zwängen möchte, die uns vorschreiben möchte, wie wir unser Leben zu leben haben, sollten wir lieber bei uns selbst anfangen und das, was wir predigen auch vorleben. Uns selbst frei machen von den Vorurteilen und Rollenbildern. Zu dem stehen, was wir selber sind.
Das bedeutet aber eben auch, dass wir damit aufhören müssen, andere für unser eigenes Schicksal verantwortlich zu machen. Andere zu beurteilen, andere belehren zu wollen.
Wir kennen von jedem anderen Menschen immer nur einen gewissen Teil. Dieser mag bei einigen Menschen größer sein, bei anderen Menschen etwas kleiner und bei wieder anderen ist es nur ein Mini-Bruchstück, das wir über die Person und dessen Leben kennen.
Egal, wie groß das Stück ist, das wir kennen, es ist nie zu 100% komplett. Selbst dann nicht, wenn wir 24 Stunden, 7 Tage die Woche mit dieser Person zusammen sind. Denn was wir niemals wissen ist, was im Inneren dieser Person vor sich geht.
Den einzigen Menschen, den wir wirklich zu 100% kennen, sind wir selbst. Niemanden sonst. Und deshalb steht uns auch nicht das Recht zu, andere Menschen für das zu verurteilen, was sie sind oder tun.
IST ES NICHT TOLL, WENN JEMAND DAS TUT, WAS ZU 100% ZU IHM/IHR PASST?
Als ich vor ein paar Wochen die Episode 49 veröffentlicht habe, in der ich dich gebeten habe, dir vorzustellen, wie es wäre, wenn du plötzlich nur noch Vollzeit-Mama wärst, wurde kurz nach der Veröffentlichung ein Kommentar unter dem Episoden-Beitrag hinterlassen, in dem ich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass ich mit dieser Episode ja das Leben einer Vollzeit-Mama als weniger wert beschreibe.
An dieser Stelle möchte ich klar und deutlich sagen, dass das ganz sicher nicht meine Intention war. Das habe ich auch mehrmals in der Podcast-Episode erwähnt. Ich habe auch gesagt, dass ich Mamas durchaus bewundere, die in ihrer Rolle als Vollzeit-Mama so komplett aufgehen, nur dass das eben nicht das Leben ist, das ich mir für mich vorstellen kann.
Und da ich mich hier bei Mamanehmer eben an Mütter wende, denen es genauso geht, ist es auch in Ordnung, wenn uns die Vorstellung daran, nur noch Vollzeit-Mama zu sein, verrückt macht. Das heißt nicht, dass dieser Lebensweg falsch ist. Er ist nur vielleicht nicht der Richtige für mich oder für dich.
Wenn du oder jemand anderes in deinem Umfeld so ein Leben führt und damit genau das Richtige für sich selbst gefunden hat, dann ist das doch toll. Nein, mehr als das. Es ist großartig. Es ist wundervoll. Was gibt es Schöneres, als genau das Leben zu leben, das einen zu 100% erfüllt? Das sich zu 100% richtig anfühlt? Jeden Tag aufzustehen und voll motiviert das zu tun, was man liebt.
EIN ZUSAMMENLEBEN AUF AUGENHÖHE
Was ich mir für unsere Gesellschaft wünsche ist, dass wir einander mehr Respekt entgegenbringen und, auch wenn wir die Entscheidungen von anderen nicht verstehen, akzeptieren, dass sie ihre Gründe für ihre Entscheidungen haben.
Denn nur so entsteht ein Zusammenleben auf Augenhöhe.
Ich selbst lasse mich nicht gerne in Schubladen stecken. Nicht kategorisieren. Ich mache, was mir richtig erscheint und was zu mir passt. Um dort anzukommen, wo ich heute bin, musste ich einen langen und steinigen Weg gehen. Einen Weg zu mir selbst. Ich musste lernen, zu mir selbst zu stehen. Für mich einzustehen und das zu tun, was sich tief in meinem Herzen als der richtige Weg herauskristallisiert hat.
Auch mir wurde Gegenwind entgegen gebracht und ich erfahre auch heute immer noch Gegenwind. Manchmal sogar mehr als vorher. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen und meinen Fokus mehr auf mich selbst zu richten, als auf andere.
SENSIBILITÄT – WAS MIR DABEI GEHOLFEN HAT, ANDERE ZU BE- UND VERURTEILEN
Ja, auch ich habe früher andere Menschen verurteilt für das was sie sind und was sie tun, aber inzwischen weiß ich, dass das mehr über mich ausgesagt hat, als über die anderen Menschen. Wenn wir nämlich mal hinterfragen, warum wir Sache XYZ dieser Person kritisieren, dann liegt es meistens daran, dass wir die Person bewundern und neidisch sind, weil sie etwas hat, was wir selbst nicht haben oder weil wir selbst für unsere Situation verurteilt werden und diese beschützen möchten. Uns ist unser Lebensweg so wichtig, dass wir keinen anderen neben ihm sehen oder für richtig befinden können.
Was mir geholfen hat, ist, mir in solchen Momenten die Frage zu stellen, warum eine Person etwas bestimmtes tun könnte. Was könnten Gründe sein, die ich vielleicht gar nicht kenne. Sich selbst in die andere Person hineinzuversetzen kann sehr gut helfen, sich selbst schnell wieder aus dem Verurteilungsmodus herauszukommen. Denn wirklich wohl fühlen wir uns dabei auch nicht, wenn wir mal ehrlich sind.
Im Gegenteil. Es würde uns doch viel glücklicher machen, wenn wir alle etwas sensibler miteinander umgehen würden.
DAS VERURTEILUNGSSYNDROM UNTER MÜTTERN
Gerade unter Müttern scheint das Verurteilungssyndrom eine hoch ansteckende Krankheit zu sein. Wenn ich durch Instagram scrolle, sehe ich so viele Anfeindungen, so viele Meinungen zu bestimmten Mama-Themen. Egal, ob es hier um die Stoffwindel-Wegwerfwindel-Frage, die Stillen-oder-Fläschchen-geben-Frage oder die Als-Mama-arbeiten-oder-nicht-Frage geht. Es gibt so viele Reibungspunkte unter Müttern und jede ist felsenfest davon überzeugt, dass ihr Weg der einzig richtige ist.
Und Überraschung: Es ist auch der einzig richtige. Für diese eine Person.
Aber eben nicht unbedingt für den Rest der Welt. Es ist doch in Ordnung, den eigenen Weg zu teilen und zu zeigen, wie wir selbst bestimmte Dinge machen, aber wir müssen doch dann nicht jeden anderen Weg verurteilen.
Ich komme immer wieder bei diesem Satz raus, den die Hebamme in meinem Rückbildungskurs gesagt hat: „Es gibt kein richtig und kein falsch. Es gibt nur ein anders.“ – Genauso ist es.
DU UND ICH, WIR BEIDE, WIR MACHEN ES HEUTE BESSER
Niemand wünscht sich, angefeindet oder verurteilt zu werden. Lass uns heute also mal bei uns selbst anfangen. Bei dir und bei mir. Wir zwei, wir machen es heute anders.
Immer, wenn wir uns dabei ertappen, dass wir andere Menschen verurteilen, halten wir inne und fragen uns, warum uns das nun so beschäftigt. Was sagt das über uns aus? Was wissen wir alles von dieser Person? Und dann reflektieren wir mal genau darüber, ob eine Verurteilung an dieser Stelle WIRKLICH angebracht ist.
Bist du dabei?
SENSIBILITÄT – VERGISS NICHT DICH SELBST
Und bevor ich jetzt hier verschwinde, möchte ich noch auf ein ganz ganz wichtiges Thema im Bezug auf Sensibilität hinweisen:
Sei auch sensibel mit dir selbst!
Setz dich nicht selbst unter Druck und verfalle nicht diesem unnachgiebigen und selbst-verurteilenden Selbstoptimierungswahn, den ich bei so vielen Menschen zur Zeit erkenne.
Du hast dir vorgenommen, niemanden mehr zu verurteilen und dann ertappst du dich doch bei einem verurteilenden Gedanken?
Das passiert eben. Sei dankbar, dass es dir aufgefallen ist und nimm dir für den Rest des Tages vor, das nicht mehr zu tun.
Und wenn es dann doch wieder passiert? Dann machst du es morgen besser. Jeder Tag ist ein neuer Anfang und du kannst es jeden Tag besser machen, als am Tag davor.
Bitte vergiss das nicht.